Kommunale Integrations- und Entwicklungsintiative

Viele der drängendsten gesellschaftlichen Fragen sind heute transnationaler Natur: Der Klimawandel, die Coronapandemie und Migrations- und Fluchtbewegungen machen nicht vor nationalen Grenzen halt. Zudem gibt es ein wachsendes Misstrauen in die Problemlösungsfähigkeit der Demokratie und der Europäischen Union. Um auf Herausforderungen wie die zunehmende ökonomische und soziale Ungleichheit, die Grundrechte verletzende Migrations- und Flüchtlingspolitik und die Frage der gerechten Gestaltung der ökologischen Transformation Antworten zu finden, werden kreative, demokratische, nachhaltige und effektive Ansätze benötigt. Kommunen können einen wichtigen Teil zur Lösung dieser Herausforderungen beitragen. Sie sind direkt mit den Auswirkungen globaler Herausforderungen konfrontiert und müssen dafür nachhaltige Lösungsangebote entwickeln.

Während der Projektlaufzeit wurden sich ergänzende Governance Konzepte entwickelt, die aktuell in weiterführenden Projekten umgesetzt und erprobt werden.

LAUFZEIT

2018 – 2022

TEAM

Giulia Fellin, Alina Lyapina, Johannes Krabbe

FÖRDERER

Schöpflin Stiftung

Direkte kommunale Aufnahme und Integration von Geflüchteten in Europa

Während die Europäische Union und die Nationalstaaten nicht fähig oder nicht willens sind Lösungen für die krisenhafte Europäische Migrations- und Asylpolitik zu finden, haben sich in den letzten Jahren immer mehr europäische Städte und Kommunen bereit erklärt, Schutzsuchende proaktiv aufzunehmen. Diese progressiven Kommunen stehen für ein solidarisches Europa, das Menschenrechte achtet und Verantwortung für den Schutz von Menschenleben übernimmt. Diese Kommunen können einen wichtigen Teil zur Lösung für die migrationspolitischen Herausforderungen beitragen. Wir schlagen dafür ein Governance-Konzept vor, dass auf eine direkte Relocation von Geflüchteten von den Außengrenzen Europas in aufnahmebereite europäische Kommunen setzt. Ein Algorithmus gestütztes Matching-Verfahren kann dabei eine zentrale Rolle spielen, um die Bedarfe der Schutzsuchenden und die Angebote der aufnahmewilligen Kommunen abzugleichen und in eine möglichst gute Übereinstimmung zu bringen.

Aus dieser Idee entsprang das Pilotprojekt Re:Match zur bedarfsorientierten und individualisierten Aufnahme von Geflüchteten via Matching.

 

Kommunale Entwicklungsbeiräte

Um die freiwillige Aufnahme von Geflüchteten nachhaltig zu organisieren und auf eine breite Basis zu stellen, sollten in den Kommunen Entwicklungsbeiräte aus politischen, wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Repräsentant*innen gebildet werden, die die Ausrichtung und Ausgestaltung der zukünftigen Politik beraten und deren Umsetzung vorbereiten. Sie beruhen auf dem Grundsatz, dass eine inklusive, nachhaltige Entwicklung am besten funktioniert, wenn alle relevanten Akteursgruppen beteiligt sind. Hier ist der Ort, sich gemeinsam Gedanken über die demographische Entwicklung der Kommune zu machen: über Bedarfe und mögliche Angebote in der Wirtschaft und in Bezug auf Arbeitskräfte und deren Ausbildung, über den Ausbau der dazu nötigen Infrastruktur, über Bildung und Weiterbildung, über Angebote an Wohnraum, über Perspektiven der kulturellen Weiterentwicklung und der sozialen Integration aller Bürgerinnen und Bürger des Ortes. Denn Integration ist in einer pluralistischen demokratischen Gesellschaft grundsätzlich eine dauernde allgemein-gesellschaftliche Herausforderung und Aufgabe, nicht nur im Zusammenhang mit Geflüchteten, sondern auch im Hinblick auf alle marginalisierten Personen.

Das Format der Kommunalen Entwicklungsbeiräte wurde inzwischen in mehreren Modellprojekten umgesetzt.

 

Der europäische Integrations- und Entwicklungsfonds

Gemeinden können sich aufgrund ihrer demografischen, aber auch wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung dafür entscheiden, Geflüchtete aufzunehmen. Einen zusätzlichen Anreiz dafür erhalten sie, wenn sie die Kosten der diesbezüglichen Integration von einem europäischen Integrations- und Entwicklungsfonds erstattet bekommen und zusätzlich in derselben Höhe finanzielle Mittel zur eigenen Entwicklung erhalten. Als zusätzlichen Anreiz darüber hinaus sollten sie Mittel in gleicher Höhe für die eigene kommunale Entwicklung erhalten. Die Kommunen, welche mehr Verantwortung übernehmen, hätten somit die finanziellen Mittel dafür. Zudem würden die Städte und Gemeinden nicht nur wirtschaftlich, sondern auch kulturell eine Wiederbelebung erfahren, da z.B. Mittel für Kulturprojekte zur Verfügung stünden. In vielen europäischen Regionen, aus denen die Menschen abwandern, würde somit außerdem eine positive Dynamik auslöst werden. Anstatt Angst vor dem Verlust von nationalstaatlicher Souveränität und Kompetenz zu haben, könnten die Mitgliedstaaten das freiwillige Angebot der Städte und Gemeinden als möglichen Weg aus der Reformblockade annehmen.

Zum Konzept europäische Integrations- und Entwicklungsfonds wurde ein Rechtsgutachten von uns publiziert sowie mehrere Panels gehalten

 

Europa braucht dringend eine mittel- und langfristige Strategie, die die Aufnahme von Schutzsuchenden nicht als Bedrohung versteht, sondern Grundrechte schützt. Ein dezentraler und partizipativer Ansatz vernetzter Kommunen in der Asyl- und Flüchtlingspolitik könnte der EU den Anstoß zu einem positiven Neubeginn geben, indem  die Aufnahme von Geflüchteten nicht als Belastung empfunden wird, sondern ihre Integration als Impuls für eine nachhaltige Entwicklung genutzt wird.

Publikationen

Weitere Projekte

  • Kommunale Entwicklungsbeiräte – Gestalter der sozial-ökologischen Transformation

    Bis April 2025 begleiten wir vier Kommunen bei der Durchführung eines Kommunalen Entwicklungsbeirates zu einem konkreten Thema der sozial-ökologischen Transformation. Bewerbungsfrist: 26. Mai 2023.
  • Kommunaler Entwicklungsbeirat (KEB) Modellprojekt Gemeinsam vor Ort Zukunft gestalten

    In einem Modellprojekt führen fünf ländliche Kommunen in Deutschland einen Kommunalen Entwicklungsbeirat zu zukunftsrelevanten Themen durch. Begleitet für zwei Jahre vom Team der Berlin Governance Platform wird das Beteiligungsprojekt vor […]
  • Re:Match – Bedarfsorientierte und individualisierte Aufnahme via Matching

    Europa steht vor der Herausforderung einer gerechten und effektiven Verteilung von Schutzsuchenden. Wir glauben, dass Matching eine Lösung sein kann.Re:Match möchte, auf internationalen Erfahrungen aufbauend, einen algorithmengestützten Matching-Mechanismus für die […]
  • Netzwerke für ein Welcoming Europe

    Städte und Kommunen in ganz Europa haben in den letzten Jahren ihre freiwillige Bereitschaft gezeigt Schutzsuchende aufzunehmen. Diese aufnahmebereiten Kommunen werden immer zahlreicher und sie stehen für ein solidarisches Europa, […]
  • Trialog-Reihe Social Cohesion

    Im Rahmen der „Grand Challenge Social Cohesion“ Initiative der BUA wurde im Spätsommer und Herbst 2022 die dreiteilige Trialog-Reihe „Social Cohesion“ veranstaltet. Im Fokus stand der transdisziplinäre Austausch von 6 Exploration Projects […]
  • Kommunaler Entwicklungsbeirat Weißwasser / O.L.

    In einem neuen Projekt unterstützen wir die Große Kreisstadt Weißwasser / O.L. im Aufbau und Durchführung eines Kommunalen Entwicklungsbeirates mit dem Fokus auf der Erstellung eines Nachhaltigkeitskonzeptes.
  • Kommunaler Entwicklungsbeirat Pilotprojekt Herne

    In Herne wurde zwischen Januar und November 2022 erstmalig ein Kommunaler Entwicklungsbeirat pilotiert. Der KEB entwickelte eine Empfehlung zu der Gestaltung einer 25 Hektar großen industriellen Brachfläche inmitten der Stadt.
  • Kommunale Integrations-und Entwicklungsinitiative

    Die Kommunale Integrations- und Entwicklungsinitiative (MIDI) setzt auf der lokalen Ebene an und entwickelt Governance Konzepte, in denen Kommunen eine zentrale Rolle einnehmen. Eine gemeinsame, partizipative Gestaltung der kommunalen Entwicklung […]
  • From the Sea to the City

    From The Sea To The City (FSTC) ist ein europäisches zivilgesellschaftliches Netzwerk, das aus mehreren NGOs und politischen Basisinitiativen besteht. Gemeinsam setzen wir uns in der europäischen Öffentlichkeit mithilfe innovativer […]
  • Der Europäische Integrations- und Entwicklungsfond

    Kommunen, die sich bereit erklären Schutzsuchende aufzunehmen, sollten mit einem finanziellen Anreiz gestärkt werden. Dafür schlagen wir die Einrichtung eines EU-Fond vor, bei dem die Kommunen direkt finanzielle Mittel beantragen […]