Kommunale
Entwicklungsbeiräte

Wir bringen in Kommunalen Entwicklungsbeiräten Politik, Verwaltung, Zivilgesellschaft und Wirtschaft zusammen, um gemeinsam Antworten auf komplexe Zukunftsfragen zu finden. Unsere Überzeugung: Eine inklusive und nachhaltige Entwicklung gelingt am besten, wenn alle Interessengruppen miteinander ins Gespräch kommen und gemeinsam Strategien entwickeln.

Aktuell begleiten wir vier deutsche Kommunen in der Umsetzung Kommunaler Entwicklungsbeiräte. In sechs weiteren Kommunen wurden bereits konkrete Handlungsempfehlungen erarbeitet und in die Umsetzung gebracht.

Transformationsprozesse
gemeinsam gestalten

Wie kann die sozial-ökologischen Transformation gerecht gestaltet werden? Wie gehen wir mit den Folgen der Pandemie um, wie bewältigen wir Migrations- und Fluchtbewegungen? Die drängenden Herausforderungen unserer Zeit erfordern innovative und inklusive Strategien für eine nachhaltige Entwicklung. Dabei müssen demokratische Strukturen nicht nur gesellschaftlicher Polarisierung entgegenwirken, sondern auch die Grundlage für das Gelingen dieser Transformationsprozesse bilden.

Kommunen spielen hierbei eine zentrale Rolle. Sie sind direkt mit diesen Fragen konfrontiert, denn hier werden unterschiedliche Interessen und Bedürfnisse als Konflikte spürbar. Kommunen benötigen daher Strategien, die heute tragen und auch zukünftigen Generationen gerecht werden.

Um sie in dieser Aufgabe zu unterstützen, haben wir Kommunale Entwicklungsbeiräte entwickelt. Der Ansatz basiert auf der Forschung sowie langjährigen Praxiserfahrung von Prof. Dr. Gesine Schwan, die das Konzept erstmalig in Politik trotz Globalisierung skizzierte. In enger Zusammenarbeit mit unserem multidisziplinären Team wurde der Ansatz weiterentwickelt und in die Praxis umgesetzt.

Ausgezeichnet mit dem Siegel “Bewährt vor Ort” für kommunale Innovation des Deutschen Städte- und Gemeindebunds und ProjectTogether.

Was ist ein Kommunaler Entwicklungsbeirat?

Ein Kommunaler Entwicklungsbeirat (KEB) ist ein Format der kommunalen Bürger*innenbeteiligung. Es wird von der lokalen Politik beauftragt, eine spezifische, die Kommune bewegende Fragestellung zu bearbeiten. Rund 30 Personen, die kommunale Politik und Verwaltung, sowie die lokale Wirtschaft und Zivilgesellschaft vertreten, werden als Beirät*innen ausgewählt. Es werden Personen angesprochen, die fachliche Expertise mitbringen, mit dem Thema betraut oder davon betroffen sind, oder die Interessen einer relevanten oder marginalisierten gesellschaftlichen Gruppe einbringen können. Im Verlauf eines Jahres kommen sie in vier ganztägigen Sitzungen zusammen.

Der Ansatz basiert auf der Überzeugung, dass kommunale Entwicklung dann am nachhaltigsten funktioniert, wenn alle wichtigen Interessensgruppen zusammen arbeiten. Eine professionelle Prozessbegleitung und Moderation der Berlin Governance Platform schafft einen Rahmen, der es allen ermöglicht, sich gleichberechtigt und auf Augenhöhe einzubringen.

In gemeinsamer Arbeit entsteht ein Empfehlungspapier. Je nach Auftrag, umfasst dieses Visionen, Leitlinien und ggf. Maßnahmen. Dieses wird daraufhin dem gewählten Gemeinde- oder Stadtrat zur Bewertung und Entscheidung über die Umsetzung vorgelegt.

Multi-Akteursansatz

Vertreter*innen aus Politik und Verwaltung, Zivilgesellschaft und Wirtschaft beraten gemeinsam und gleichberechtigt. Sie verfügen über kein imperatives Mandat, bringen aber die spezifischen Interessen und Perspektiven ihrer Akteursgruppe ein.

Moderierter Dialog

Eine professionelle Prozessmoderation schafft eine offene und vertrauensvolle Atmosphäre. Sie ermöglicht so echten Dialog und die konstruktive Aushandlung verschiedener Interessen.

 

Empfehlungsfunktion

Kommunale Entwicklungsbeiräte erarbeiten konkrete Empfehlungen für den Stadt- oder Gemeinderat. Der Prozess wird kontinuierlich mit politischen Gremien rückgekoppelt; die Entscheidung über die Umsetzung der Ergebnisse obliegt aber den gewählten Politiker*innen.

Gemeinwohlorientierte Zukunftsstrategien

Der Kommunale Entwicklungsbeirat setzt sich mit dringlichen, komplexen und auch umstrittenen Zukunftsthemen einer Kommune auseinander. Die entwickelten Zukunftsstrategien orientieren sich an dem Gemeinwohl.

Worin unterscheiden sich Kommunale Entwicklungsbeiräte von anderen Formaten für Bürger*innenbeteiligung?

Kommunale Entwicklungsbeiräte haben, anders als z.B. Bürger*innenräte, keinen repräsentativen Anspruch. Stattdessen werden Vertreter*innen aus Politik und Verwaltung, Zivilgesellschaft und Wirtschaft eingeladen, um die Interessen ihrer Akteursgruppen einzubringen. Dadurch werden strukturelle gesellschaftliche Interessenskonflikte explizit in den Kommunalen Entwicklungsbeirat eingeladen: Die verschiedenen Akteursgruppen folgenden unterschiedlichen Handlungslogiken und haben teils divergierende Ziele, die ausgehandelt werden müssen. Dafür schaffen KEBs einen Raum.

Kommunale Entwicklungsbeiräte zeichnet zudem die Zusammenarbeit von Gewählten und Nicht-Gewählten aus. In vielen Beteiligungsformaten beraten Bürger*innen zunächst “unter sich”, die Politik ist nur Adressat der Ergebnisse. In KEBs sind Politiker*innen (aber auch Verwaltungsmitarbeitende) von Beginn an gleichberechtigt einbezogen. Neben dem Lern- und Verständigungsprozess verschiedener Handlungslogiken und Interessen erhöht diese Zusammenarbeit die Umsetzungswahrscheinlichkeit der Empfehlungen. Herausforderungen in der Umsetzung können frühzeitig erkannt und angegangen werden und Entscheidungsträger*innen haben ein tiefergehendes Verständnis von und eine höhere Identifikation mit den getroffenen Empfehlungen.

 

Was braucht es für die Einrichtung eines Kommunalen Entwicklungsbeirats?

Kommunale Entwicklungsbeiräte benötigen die explizite Zustimmung der kommunalen Politik. Beteiligungsformate können nur erfolgreich sein, wenn die Entscheidungsträger*innen grundsätzlich an der Einbeziehung einer größeren Anzahl an Perspektiven Interesse haben. Stadt- oder Gemeinderat müssen deshalb formal den Auftrag für die Durchführung eines KEBs geben.

Kommunale Entwicklungsbeiräte benötigen einen Auftrag, der komplex und kontrovers, aber auch bearbeitbar ist. Dazu gehört, dass es in dem gewählten Thema überhaupt Entscheidungskompetenz der Kommune und Einflussmöglichkeiten für einen KEB gibt.

Die Durchführung eines Kommunalen Entwicklungsbeirats benötigt intensive Begleitung. Neben einer Prozessbegleitung durch die Berlin Governance Platform und einer lokalen Moderation benötigt es auch einer verantwortlichen Person in der kommunalen Verwaltung als Koordinator*in des KEB. Für all diese Rollen sind ausreichend finanzielle Ressourcen notwendig.

Wer entscheidet über das Thema?

Meistens bewerben sich kommunale Verwaltungen bereits mit einem Thema, das derzeit dringlich ist und sich für eine Bearbeitung durch den Kommunalen Entwicklungsbeirat anbietet. Dieses Thema wird durch eine lokale Steuerungsgruppe konkretisiert und ausformuliert. In der Steuerungsgruppe arbeiten bereits 6-8 Vertreter*innen aus Politik und Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zusammen. Sie klären die konkrete Fragestellung und wägen die Einflussmöglichkeiten des Beirats ab.

Was macht eine Steuerungsgruppe, und wie werden die Beirät*innen ausgewählt?

Die*der Oberbürgermeister*in wählt zu Beginn des Prozesses das Thema für den Kommunalen Entwicklungsbeirat aus und definiert den möglichen Gestaltungsspielraum. Um eine ergebnisoffene und unabhängige Auseinandersetzung mit dem Thema zu ermöglichen, ist die*der Oberbürgermeister*in später aber selbst kein Mitglied des Beirats.

Die Auswahl der Beirät*innen erfolgt durch eine Steuerungsgruppe, die von der Verwaltungsleitung aus Vertreter*innen der Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft ausgewählt und mandatiert wird. Ein Akteur*innenmapping, das vom Team der Berlin Governance Platform begleitet wird, bildet dafür die Grundlage. Das Ziel besteht darin, etwa 30 engagierte Personen aus unterschiedlichen Interessengruppen innerhalb der Kommune auszuwählen. Diese sollen möglichst diverse Perspektiven auf das Thema repräsentieren. Zudem entscheiden einige Kommunen engagierten Bürger*innen die Möglichkeit zu geben, sich auf zusätzliche Plätze im Beirat zu bewerben.

Am Ende der Planungsphase wird die Steuerungsgruppe wieder aufgelöst. Ihre Mitglieder haben dann die Möglichkeit, auch im Kommunalen Entwicklungsbeirat als Beirät*innen mitzuwirken.

Warum ist eine gute Moderation so wichtig?

Im Kommunalen Entwicklungsbeirat kommen Personen mit verschiedenen Hintergründen und Vorerfahrungen zusammen. Gesellschaftliche Machtassymetrien und strukturelle Diskriminierungen spiegeln sich deswegen auch ohne Böswillen zunächst im KEB wieder. Gewählte Politiker*innen sind den Austausch politischer Meinungen mehr gewöhnt als Bürger*innen, Menschen mit Nicht-Deutscher Herkunftssprache haben es zunächst schwieriger sich einzubringen. Eine professionelle Moderation kann durch vielfältige Methoden zunächst zur Vertrauensbildung beitragen und im weiteren Verlauf die gleichberechtigte Teilnahme Aller gewährleisten.

Da der Kommunale Entwicklungsbeirat explizit auch divergierende Interessen und Positionen einlädt, kommt es unweigerlich zu Konflikten. Diese sind oft herausfordernd, können jedoch auch als Motor für Veränderung wirken. Damit diese Konflikte als positives Aushandeln erlebt werden und zu einer nachhaltigen Verständigung führen können, braucht es eine Moderation, die auf Erfahrung in der Konflikttransformation, Mediation o.ä. zurück greifen kann.

Werden die erarbeiteten Empfehlungen tatsächlich umgesetzt?

Die erarbeiteten Empfehlungen werden dem Gemeinde- oder Stadtrat übergeben, der über die Umsetzung berät. Da Mitglieder des Gemeinderats bereits im Kommunalen Entwicklungsbeirat teilgenommen haben, fällt der Transfer dieser Ergebnisse leichter als bei anderen externen Empfehlungen. Politiker*innen, aber auch die Verwaltung, die in der Umsetzung eine zentrale Rolle spielt, waren von vornherein beteiligt.

In den Partnerkommunen des Modellprojekts sieht die Umsetzungsperspektive der Empfehlungen einige Monate nach Abschluss der Kommunalen Entwicklungsbeiräte (Februar 2024) sehr vielversprechend aus. Mehrere Gemeinderäte haben bereits entsprechende Beschlüsse gefällt, die (Teile) der Empfehlungen bereits in diesem Jahr auf den Weg bringen. In Hoyerswerda wurde zudem ein Kommunaler Umsetzungsbeirat eingesetzt, der die verschiedenen Akteur*innen auch in der Umsetzung einbezieht. Eine langfristige Evaluation der Umsetzung ist zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht möglich.

 

Warum wir uns eine institutionelle Verankerung wünschen

Die im Konsens verabschiedeten Empfehlungen konnten in unseren bisherigen Partnerkommunen einen substanziellen inhaltlichen Beitrag zur vorab vereinbarten Fragestellung liefern. Gleichzeitig zeigen zahlreiche Rückmeldungen der Beirät*innen dazu, wie neue Verbindungen und Netzwerke entstanden sind, dass der Austausch erlebt wurde und die Beiratsmitglieder Selbstwirksamkeit erleben konnten.

Eine wirksame Kraft zur Stärkung einer demokratischen Kultur der Teilhabe und für eine nachhaltige Entwicklung wird der Kommunale Entwicklungsbeirat jedoch erst dann, wenn er nicht ein einmaliges Projekt bleibt. Die Vision der Berlin Governance Platform besteht darin, Kommunale Entwicklungsbeiräte dauerhaft als Ergänzung zu bestehenden demokratischen Institutionen und Gremien in den Kommunen zu verankern. Dabei sollen sich Zusammensetzung und inhaltlicher Auftrag des Entwicklungsbeirates in einer Kommune regelmäßig ändern, das Format an sich aber als bekannte und verlässliche Struktur fortbestehen. So können immer wieder aufkommende Zukunftsfragen in einem festen Rahmen “vorverhandelt”, politischen Organe dadurch unterstützt und zu einer Stärkung der Demokratie beigetragen werden.

„Damit Menschen wieder Vertrauen in die Demokratie fassen, braucht es verlässliche Erfahrungen des Gelingens und des aktiven Gestaltens des eigenen Lebensumfeldes.“

Publikation: Kommunale Entwicklungsbeiräte – Konzept und Praxis
Februar 2024

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